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1. Herr Schumann, bitte erläutern Sie uns kurz, was den BWA innerhalb der deutschen Verbändelandschaft besonders macht.
M.S.: Der BWA vereint in seinen Strukturen, von den internationalen Wirtschaftsclubs bis hin zu seinem Senat, wirtschaftliche und soziale Kompetenzen, Dynamik und langjährige Erfahrung. Wir bieten unseren Mitgliedern ein exklusives Unternehmernetzwerk im In- und Ausland. Bei Empfängen, Seminaren und Delegationsreisen beraten wir sie mit Entscheidungsträgern aus Politik, Diplomatie und Verwaltung und knüpfen dabei wertvolle Kontakte. Im BWA verbinden wir lösungsorientierte Menschen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung, Politik, Zivilgesellschaft und Medien. Wir denken konstruktiv und möchten Deutschlands Zukunft mitgestalten. Die wichtigen politischen Entscheidungsprozesse, von der kommunalen bis zur internationalen Ebene, haben wir dabei stets im Blick und vertreten unsere Interessen aktiv.
Wir stehen als BWA für ein besseres ordnungspolitisches Design, nämlich eine Ökosoziale Marktwirtschaft, die die besten Erfahrungen der Europäischen Union und ihrer Erweiterungsprozesse auf die globale Ebene ausdehnt. Wir haben das Ziel, gemeinsam mit unseren Mitgliedern dazu beizutragen, Deutschland und Europa im Sinne einer nachhaltigen marktwirtschaftlichen Entwicklung zukunftsfähig zu machen und dabei die friedliche internationale Verständigung zu fördern.
2. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen stehen vor der Herausforderung des Fachkräftemangels. Was sind die Antworten des BWA darauf?
M.S.: Der BWA hat sich seit vielen Jahre für ein Fachkräftegesetzt stark gemacht, diese Position des Verbandes reicht sehr lange zurück. Zahlreiche Studien belegen in jüngster Zeit die Notwendigkeit einer zielgerichteten und interessengeleiteten Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte und Akademiker, insbesondere aus Nicht-EU-Staaten. Dies kann für uns nur bedeuten, unsere Mitgliedsunternehmen proaktiv bei der Suche nach geeignetem Personal zu unterstützen. Unsere internationalen Kontakte auf hoher Ebene leisten hierbei eine wichtige Hilfestellung. Deutschland muss als Einwanderungsland vom Verwalter zum Gestalter dieses Politikbereichs werden, was in den letzten Jahren vernachlässigt wurde. Im internationalen Wettbewerb müssen wir bürokratische Hürden bei der Einreise von qualifizierten Einwanderern minimieren und die Kriterien zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen transparent kommunizieren.
3. Wodurch ließen sich diese erwähnten Hürden abbauen?
M.S.: Wir müssen insbesondere die Chancen, die sich durch die digitale Entwicklung eröffnet haben, viel stärker nutzen. Heute ist es möglich, Nachweise für Antragsteller eines Visums digital auszustellen, wofür früher ein über Wochen dauernder Postverkehr notwendig war. Zum anderen denke ich, dass die Perspektiven für Hochqualifizierte jenseits von internationalen Großunternehmen aufgezeigt werden müssen. Die neue Generation zukünftiger Führungskräfte schaut nicht nur, ob das Gehalt stimmt. Vielmehr spielen heute Aspekte wie persönliche Entfaltungsmöglichkeiten, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die gelebte Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle.
4. Deutschland ist bei der Beliebtheit von Studenten aus Nicht-EU-Ländern im europäischen Vergleich führend. Welche Perspektiven ergeben sich daraus für Unternehmen?
M.S.: Ein großer Anteil dieser Studenten kommt aus Ländern, zu denen wir als BWA sehr gute und langjährige Beziehungen pflegen. Das sind insbesondere die Volksrepublik China, die Russische Föderation, Indien und die Türkei. Für angehende Akademiker ist das vergleichsweise günstige Studium in Deutschland in Kombination mit den Möglichkeiten zum Sammeln von Praxiserfahrung und dem Aufbau beruflicher und persönlicher Netzwerke sehr attraktiv. Und nicht wenige der erfolgreichen Absolventen sind offen für einen Berufseinstieg in Deutschland. An dieser Stelle besteht großes Potential für eine gezielte Vermittlung dieser Hochqualifizierten an Unternehmen, die teilweise händeringend nach geeigneten Leuten mit Fremdsprachenkenntnissen und internationaler Erfahrung suchen.
5. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund das Angebot an digitalen Dienstleistungen, wie Expatrio bereitstellt?
M.S.: Daraus ergibt sich für die Hochschulen und Unternehmen ein großes Potential, bürokratische Prozesse zu minimieren und „Smart“ zu gestalten. In der beschleunigten Welt des 21. Jahrhunderts ist dies ein bedeutender Wettbewerbsvorteil. Auch die Attraktivität Deutschlands im Ausland für geeignete Leute wird sich erhöhen, wenn diese sehen, dass sie und ihre Kenntnisse willkommen sind und sie sich auf dem Weg nach Deutschland nicht mit unnötigen Hindernissen konfrontiert sehen.
6. Was sind Ihre Erwartungen an die Politik der Bundesregierung in Bezug auf diesen Themenkomplex?
M.S.: Bereits im Jahr 2015 hat sich der BWA gemeinsam mit der Allianz der Wirtschaftsverbände klar positioniert: Die Trennung von Asyl und Einwanderung ist ein zentraler Aspekt. Ersterer Bereich betrifft grundlegenden Menschenrechte sowie ein durch das Grundgesetz verbürgte Recht auf Asyl nach klaren Kriterien. Im zweiten Bereich muss Deutschland eine interessengeleitete Politik im Interesse des Mittelstandes und der Wirtschaft verfolgen. Wir brauchen eine schnellere Prüfung und Anerkennung von Abschlüssen und Qualifikationen aus dem Ausland. Auch den Ausbau von internationalen Hochschulkooperationen befürworten wir ausdrücklich. Ebenfalls wichtig ist die Förderung der Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache bereits in den Herkunftsländern. Im Gesamten betrachtet sollten wir uns die Erfahrungen erfolgreicher Einwanderungsländer wie Kanada und Australien stärker zunutze machen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das ab dem kommenden Jahr in Kraft treten soll, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
7. Abschließend ein Ausblick auf die kommenden Aktivitäten des BWA im internationalen Bereich. Wo werden hier in nächster Zeit Ihre Schwerpunkte liegen?
M.S.: Wir möchten uns verstärkt mit der „One Belt – One Road“-Initiative, besser bekannt unter dem Namen „Neue Seidenstraße“, beschäftigen. Hier bestehen enorme Potentiale für unterschiedliche Branchen, gewinnbringende und langfristige Kooperationen mit Partnern in den Ländern entlang der Seidenstraße aufzubauen. Hierzu möchten wir mit unserer sehr erfolgreichen Reihe der Botschafter-Gespräche anknüpfen.
Das Gespräch führten Alexander Ruthemeier (Co-Founder) und Urs Unkauf (Director Public Affairs). Wir danken dem BWA und Herrn Michael Schumann sehr herzlich für den informativen Austausch und freuen uns auf dessen Fortsetzung.